LadeburgGeschichte und Geschichten aus vergangener Zeit, erzählt von Ruth Bölke, geb. Stübling, aufgeschrieben von Beate Thaute.

Auf dieser Zeitreise in die Vergangenheit wollen wir mit vielen historischen Details und Fotos die Erinnerung an das damalige Leben in Ladeburg lebendig halten.

Das Kolonialwarengeschäft in der Dorfstraße 3 – heute Bernauer Straße 11

Eine Familiengeschichte:

Das Grundstück Dorfstraße 3, heutige Bernauer Straße 11, wurde im Jahr 1884 von meinem Urgroßvater Albert Perwitz und seiner Ehefrau Emilie, geb. Münchehofe, als Ackerfläche gekauft. 


Er errichtete dort in den Jahren 1886/87 das in seiner Grundform noch heute bestehende Gebäude als Wohn- und Arbeitsstätte. 

Mein Urgroßvater Albert Perwitz, geboren am 7. Januar 1854, war gelernter Seidenwirkermeister.

Nichtamtliche Eintragung

Der Laden um 1908

Er eröffnete am 10.10.1908 in Ladeburg in der Dorfstraße 3 eine Kolonialwarenhandlung. Im rechten Teil des Hauses befanden sich die Webstühle, auf denen er Leinentücher und Seidenstoffe webte, die sicher auch in seinem Laden verkauft wurden.  Ob meine Urgroßmutter Emilie sich dann um den Verkauf kümmerte, ist nicht bekannt.

Im hinteren Teil des Gebäudes und im Obergeschoss befanden sich die Wohnräume der Familie Perwitz.

Vor dem Laden in der Dorfstraße Ende der 1920er Jahre, im Hintergrund lugt das Haus der Bäckerei Engel zwischen den Bäumen hervor, am Zaun stehend Albert Perwitz

Sein Sohn Willy, geboren im April 1895, erlernte den Beruf des Kaufmanns und arbeitete im väterlichen Geschäft. Nach dem Tod des Vaters, im Jahr 1937, baute mein Großvater Willy das Geschäft um, die Webstühle verschwanden und die Ladenfläche wurde vergrößert.

Der modernisierte Laden von Willy Perwitz im Jahr 1939

In einem Anbau auf dem Hof des Hauses wurde eine große elektrische Wäscherolle (Kaltmangel) installiert. Die Dorfbewohner konnten hier ihre Tisch- und Bettwäsche für 0,50 Pfennig (pro Stück oder gesamt ?) zum Bügeln abgeben. 

Muster dieser Kaltmangel/ Foto Internet

Meine Mutter Gisela Stübling, geb.Perwitz, wurde im Jahr 1926 geboren und verbrachte ihre Kindheit im Laden, betreut von der Mutter und den Großmüttern.

Gisela Perwitz um 1930 vor dem Laden

Gisela ( mittig) mit Mutter Margarete (v.li.) und den Großmüttern Emilie Perwitz und Emma Binske Anfang 1930

Gisela Perwitz erlernte bei ihrem Vater ebenfalls den Beruf der Verkäuferin, schon mit 14 Jahren stand sie hinter dem Ladentisch.

Gisela im Laden 1939

In den letzten Kriegsjahren und nach dem Krieg wurde es für meinen Großvater Willy immer schwerer Lebensmittel für den Verkauf von den Großhändlern zu beschaffen.

Anfang der 1950er Jahre, rechts der Laden von Willy Perwitz

Es wurden bereits im ersten Kriegsjahr Lebensmittelkarten an die Bevölkerung ausgegeben und von 1949 bis 1958 gab es diese ebenfalls in der ehemaligen DDR.

Nährmittelkarte aus dem Jahr 1943

Abschnittskarte September 1939

Lebensmittelkarte aus der DDR 1958, Foto Wikipedia

Tochter Gisela wuchs heran und heiratete 1953 Harry Stübling. Ganz traditionell mit Zylinder und Hochzeitsmarsch durchs Dorf.

Die Gäste stehen Spalier und empfangen das Hochzeitspaar.

Auf dem Weg zum Gasthaus Otto Sommer in Richtung „Lanker Ende“. Eine Kapelle führte den Hochzeitszug an.

Gasthaus „Otto Sommer“ mit Kegelbahn in den 1930er Jahren

In den 1950er Jahren war mein Großvater gezwungen, sein Geschäft an die Konsumgenossenschaft zu vermieten.

Ruth Stübling, Enkeltochter von Willy Perwitz, zwischen den Einkellerungskartoffeln um 1958. Im Hintergrund das Backhaus der Bäckerei Wilhelm Engel.

Nach dem Tod meiner Großeltern im Jahr 1960 wurde das gesamte Haus und Grundstück an die Konsumgenossenschaft verkauft.

Von 1965 bis 1976 arbeitete meine Mutter für die Konsumgenossenschaft als Verkäuferin in ihrem Elternhaus, die Konsumverkaufsstelle wurde bis Mitte der 1980er Jahre in Ladeburg betrieben und war das Kommunikationszentrum im Dorf. 

Nach Schließung stand das Haus einige Jahre leer, 1990 wurde es „Eigentum des Volkes“ und danach wechselten mehrere private Besitzer.

Der Konsum im Leerstand 1987

Das Haus Bernauer Straße 11 im Jahr 2020

Liebevoll gestaltet und nachvollzogen:  Der „Laden“ in einer Ausstellung in der Ladeburger Kirche im Coronajahr 2020

Literaturnachweis: Erzählung Ruth Bölke, geb. Stübling, aufgeschrieben von Beate Thaute Fotos: Privatsammlung Ruth Bölke, Wikipedia, Internet und Beate Thaute Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung der Autorin ist unzulässig.