Ladeburg
Geschichte und Geschichten aus vergangener Zeit
aufgeschrieben von Beate Thaute
November 2024 Folge 9:
„Ladeburg – ein Leben zwischen Krieg, Pest, Gedenken und Erinnerung“
Auf dieser Zeitreise in die Vergangenheit wollen wir mit vielen historischen Details und Fotos die Erinnerung an das damalige Leben in Ladeburg bewahren.
Das 17. Jahrhundert war überschattet von den Ereignissen und Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648), wenn auch der Krieg nicht 30 Jahre lang unmittelbar im Dorf gewütet hat. Plündernde Truppen, marodierende Söldner, gestiegene Abgaben, Kontributionen sowie vermehrt auftretende Seuchen setzten der Ladeburger Bevölkerung zu und trieben sie an den Rand des Abgrunds.
Diese Zeit hinterließ generationsübergreifend furchtbare Spuren im Dorf und hat die Lebenssituationen der Menschen an ihre Grenzen gebracht.
Wie können wir uns das Elend und die Hungersnot vorstellen, geht das überhaupt?
Kaiserliche Truppen überrumpeln am 2. September 1638 die Stadt Bernau, die sie furchtbar plündern. Die umliegenden Dörfer sind ebenfalls betroffen.
Das Zugvieh war kriegsbedingt meist rekrutiert und verschleppt. Die verbliebenen Bauern spannten sich selbst oder ihre Familienangehörigen vor den Pflug. Wochenlang gab es keinen Bissen Brot zu essen. Sobald der Frühling kam, wurden Knospen und junge Äste gekocht und verzehrt. Plünderungen, rauben, prügeln, Vorräte klauen, Verwüstungen der Häuser, Schändungen der Weibspersonen, auch an heiligen Orten, standen auf der Tagesordnung.
Ladeburg um 1900
Zu den kriegsbedingten Tötungen kamen um 1627 – 1632 Seuchen und weitere Krankheiten dazu.
Mindestens dreimal wütete die Pest wie niemals zuvor. Es gab noch keine Heilmittel, so hat man im Pest Fall einfach Tür und Fenster vernagelt. Das führte aber zur Verheimlichung der Krankheitsfälle und somit zur Ausbreitung der Seuche und raffte etliche Ladeburger Bewohner, ja ganze Familien dahin. Die Liste der Schicksale ist lang. Kaum eine Familie, die in dieser Zeit nicht Verluste zu betrauern hatte. Die Familien Liesegang, Westphal, Ketell, Henze und Palm werden u.a. genannt.
Während 1624 noch 15 Hüfner und 9 Kossäten im Dorf gezählt wurden, fand der Landreiter Becker 1652 nur noch 8 Bauern und 6 Kossäten vor, als er die Verhältnisse in Ladeburg untersuchte.
Die kaiserlichen Truppen ziehen ab und der Schwedenfeldzug beginnt
1632 – Aufbewahrung des gefallenen schwedischen König Gustav Adolf in der St. Marienkirche Bernau.
Erinnerungstafel in der Sangt Marien Kirche zu Bernau
Die Aufbewahrung der sterblichen Überreste des gefallenen Gustav II. Adolf in der Bernauer Marienkirche kam auch den Ladeburger Bauern teuer zu stehen, auch sie waren für die Verpflegung der schwedischen Begleitmannschaft zuständig.
Sie lieferten lt. Quittung des ´Commissarius´ Stephan Bergemann 6 Scheffel Hafer, 3 Hammel und 6 Brote a 10 Pfund zur Versorgung der Soldaten.
1634: Das Kriegsentschädigungsprotokoll von Ladeburg verzeichnet:
- Abgaben von Geld (357 Rtlr. 22 Groschen, 6 Pfennig an Bargeld)
- Getreide: Roggen, Gerste, Hafer
- 27 Hammel Viehabgabe
- 16 Tonnen Bier
- 38 Brote
- 5 Fuder Heu
Den Toten zur Erinnerung
Wie viele Dörfer in der Mark Brandenburg besaß und besitzt Ladeburg seit 1995 wieder ein Denkmal zu Ehren aller Ladeburger Bürger, die durch Krieg und Gewaltherrschaft zu Tode kamen. Ebenfalls kamen nach der Wende einige verschwundene Gedenktafeln irgendwo aus dem nirgendwo wieder ans Tageslicht. Auf Initiative aufmerksamer Bürger wurden sie „gerettet“ und nach einer Aufarbeitung wieder in der Ladeburger Kirche angebracht.
19.Jahrhundert – „Franzosenzeit“ von 1806-1815.
Ladeburg lag an der Bernauer Heerstraße. Ein bestätigender Hinweis auf diesen Wegverlauf findet sich in Wernickes Bernauer Stadt-Chronik von 1894, wo unter den wichtigen Landstraßen Bernaus eine Querstraße „von Zepernick nach Ladeburg (Uckermärkerstraße)“ ausgewiesen wird.
Spätestens jetzt fragen wir uns, was hatte Ladeburg mit dem Französischen Krieg zu tun?
Zu mindestens zogen französische Truppen durch Ladeburg, ob geplündert oder Dienstleistungen erpresst wurden ist bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt.
Im „Oberbarnimer Kreiskalender“ von 1931 ist in einem Artikel von Wilhelm Halle über schöne und alte Bäume beschrieben, dass im hohlen Stumpf des stärksten Baumes des Kreises, der im Vorgarten des Landwirts Albert Böhme in der heutigen Rüdnitzer Straße steht, 1813 Franzosen ihre Mittagsmahlzeit kochten.
Gedenktafeln mit eigener Geschichte in der Ladeburger Kirche
Ein Befehl des König Friedrich Wilhelm III.:
„Auch das Gedenken an die Gefallenen der Befreiungskriege sollte in der Gesellschaft dauerhaft verankert werden. Daher erließ König Friedrich Wilhelm III. von Preußen erstmals am 5. Mai 1813 einen Befehl, wonach in allen Kirchen des Landes Gedenktafeln mit den Namen der aus dem Kirchenspiel während des vorangegangenen Krieges gefallene Personen aufgehängt werden sollten. „
„Zwischen Besetzung und Selbstverwaltung“ Eberswalde in der Franzosenzeit (1806-1815) von Lucas Lebrenz, S. 141
Fast vermodert und verrottet befand sich dieser Fund aus dem Jahre 1813/14 im Holz-und Kohlenschuppen der Ladeburger Kirche. Diese Ehrentafel erinnert an Angehörige der Familien Saeger, Wegener und Böhme, die „mit Gott für König und Vaterland“ ihr Leben im Französischen Krieg ließen.
Nachdem die Tafel in den 1990er Jahren im Holzschuppen der Kirche entdeckt wurde, lagerte sie mehrere Jahre bis zur Aufarbeitung bei Familie Dieter Thaute in der Garage. Tischlermeister Ulrich Schubert (†) arbeitete diese später fachmännisch auf, die Finanzierung übernahm Roland Gahtow. Nach Fertigstellung konnte das über 200 Jahre alte Relikt aus vergangener Zeit wieder in der Kirche aufgehangen werden.
Eine Begutachtung des Zustandes der Gedenktafel durch die Kirche ist angedacht, wir dürfen gespannt das Ergebnis erwarten.
Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871
„Im Dienste für König und Vaterland starb aus hiesiger Gemeinde im französischen Feldzuge am 23.Oktober 1870 zu Champel Friedr. Aug. Carl Schmidt. Musketier der 6ten Compagnie, 7. Brandenburgischen Inf.:Rgts.: Nr.60. Gewidmet ist ihm diese Gedenktafel v. seinen Jugendfreunden zu Ladeburg“
Der Erste Weltkrieg 1914 bis 1918
Der Erste Weltkrieg war ein bewaffneter Konflikt, der von 1914 bis 1918 in Europa, in Vorderasien, in Afrika, Ostasien und auf den Ozeanen geführt wurde. Etwa 17 Millionen Menschen verloren durch ihn ihr Leben (geschätzt).
„Den im Weltkriege gefallenen Sangesbrüdern Julius Schulze, Paul Liepner, Arthur Böhme gewidmet vom Gesangverein „Sängerlust“
Diese Tafel fand Matthias Herrmann von der damaligen Firma DLK-Bernau (Dienstleistungskombinat), die Anfang der 1980er Jahre Reparaturarbeiten im Ladeburger „Volkshaus“ an der Elektrik durchführten. Auf dem Dachboden des Hauses entdeckte er diese unter weiterem Gerümpel. Weil kein Weiterer damit etwas anzufangen wusste, bewahrte er selbst das Erinnerungsstück jahrelang für die Ladeburger auf. Den Fund übergab er in den 2000er Jahren Beate Thaute. Erst 2023 gab es anlässlich einer Ausstellung das Einverständnis der Kirche, dieses Zeitzeugnis der Geschichte im Ladeburger Gotteshaus anzubringen.
Schon Anfang 1900 war der gemischte Chor „Sängerlust“ in Ladeburg über Jahre aktiv (Mitbegründer war u.a. Richard Schiefelbein). Hier ein Ausflug in den 1930er Jahren nach Rheinsberg, zu erkennen sind u.a. Maler Hans Richard Schiefelbein, Bäckermeister Wilhelm Engel und seine Frau Hedel.
Ehrenmal von 1925 und der wieder aufgebaute Obelisk von 1995
Entsetzt über die vielen Toten im Ersten Weltkrieg hatte man 1925 dieses Denkmal errichtet und gedachte damit der toten Söhne aus Ladeburg. Großzügig haben viele Bürger gespendet, so dass insgesamt 29.754 RM für den schlichten Obelisk gesammelt werden konnten.
Im Jahre 1954 hatten sich die politischen Verhältnisse dahin gehend verändert, dass man ein solches Denkmal nicht mehr zeitgemäß fand und abriss.
Das Fundament blieb erhalten.
Nach der Wende 1989 hatten sich wiederum die politischen Verhältnisse geändert und das Bedürfnis, der Opfer der Kriege zu gedenken, war ungebrochen.
Aus diesem Grund entschloss sich der damalige „Wirtschaftsverein Ladeburg e.V.“ das Ehrenmal originalgetreu mit ansässigen Handwerkern neu aufzubauen und die alte Gedenktafel mit der Inschrift „Zum ehrenden Gedächtnis den im Weltkrieg 1914-1918 Gefallenen“, die nahezu 40 Jahre in der Kirche hing, wieder an der Vorderseite anzubringen.
Die Gedenktafel hing nahezu 40 Jahre in der Ladeburger Kirche
Durch eine große Spendenaktion von Bürgern sowie ansässiger Firmen wurden 45.000 DM für die Wiedererrichtung des Denkmals zusammengetragen.
In Anwesenheit vieler Ladeburger Familien, Vereine, der Feuerwehr, dem damaligen Bürgermeister Dietmar Schulz, dem Amtsdirektor Carsten Bockhardt und Pfarrer Thomas Gericke wurde das Ehrenmal 1995 zum Volkstrauertag feierlich eingeweiht.
Zunächst bei Sonnenschein konnten die Reden gehalten werden, aber dann sauste ein heftiger Schneefall über das nun enthüllte Denkmal und verwandelte die Dorfaue in eine Winterlandschaft.
In Ergänzung des Denkmals und der Inschrift von 1925 liegt heute in der Kirche ein Gedenkbuch aus, in dem alle Namen der Toten des Zweiten Weltkrieges und der Opfer von Gewaltherrschaft festgehalten sind.
Gedenkbuch in der Ladeburger Kirche
Seit 1995 wird in jedem Jahr eine Gedenkstunde zum Volkstrauertag in Ladeburg gehalten und Blumen am Ehrenmal abgelegt.
Anschließend gehen Kameraden der Ladeburger Feuerwehr auf den neuen Friedhof, um ebenfalls Blumen am Grab der am 21. April 1945 in Ladeburg zu Tode gekommenen Soldaten niederzulegen.
Zweiter Gottesacker und ein Kreuz für das Dorf
Schon im Jahre 1903 erwarb die Gemeinde ein Stück Ackerland, um dort einen neuen Friedhof anzulegen. Die Kapelle entstand 1913/14, die erste Beerdigung wurde laut Kirchenbuch am 15. Mai 1915 durchgeführt.
Friedhofskapelle 1913/14 erbaut
Das Kreuz mit der Inschrift: „Wanderer-Der Du die Sonne noch siehst, O, Grüß uns die Heimat, die wir getreu bis zum Tod mehr als das Leben geliebt.“ ist eine Stiftung des Männergesangvereines „Teutonia Ladeburg e.V.“ und wurde Anfang 1950 aufgestellt.
„Allerheiligen“
Am 1. November zu „Allerheiligen“, einem Gedenktag, an dem Katholiken an ihre Toten erinnern, findet auf dem neuen Friedhof ein katholischer Gottesdienst mit anschließendem Rundgang und Segnung der geschmückten Gräber ihrer geliebten Menschen mit Ministranten und katholischem Pfarrer statt.
„Totensonntag“
Im evangelischen Kirchenjahr ist der „Totensonntag“ der Tag, an dem der Verstorbenen gedacht wird. Der Tag fällt auf den letzten Sonntag vor dem Ersten Advent. Damit ist für die evangelischen Christen das Kirchenjahr beendet. Ein evangelischer Gottesdienst an diesem Tag in der kleinen Kapelle auf dem neuen Friedhof in Ladeburg, untermalt mit Gesang des Männergesangsverein „Teutonia e.V.“, beschließt den stillen Monat November des Gedenkens und der Erinnerung.
Nach christlicher Tradition wird in Ladeburg erst nach Totensonntag weihnachtlich geschmückt.
Anmerkungen:
Fuder: Eine Ladung eines Ackerwagens (Holz, Getreide, Stroh); Hüfner: Ein Bauer mit Grundbesitz, der ein oder mehrere Hufe Land besitzen; Kontribution: auferlegte Kriegskosten; Kossäten: Dorfbewohner mit einer Kate und einem kleinen Stück Land; Musketier: Fußsoldaten mit einer Muskete bewaffnet; Scheffel: Altes Hohlmaß zwischen 50 und 222 Liter
Literaturnachweis:
Auszüge aus „Ladeburg – eine Zeitreise“, Petra Domke, Hrsg. Beate Thaute, Verlag Spree – PR, Berlin 2005, Ladeburger Kirchenbücher, Oberbarnimer Dörfer von Rudolf Schmidt, „Zwischen Besetzung und Selbstverwaltung“ Eberswalde in der Franzosenzeit (1806-1815) von Lucas Lebrenz, 400 Jahre Schulgeschichte von Beate Thaute , Rolf Gerlach : „Zepernick b. Berlin – Das Domdorf im Spiegel alter Akten“ Fotos: Privatsammlung Familie Dieter Thaute, soweit nicht anders angegeben Beate Thaute, Ladeburger Familien. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung der Autorin ist unzulässig.
Nächste Folge im Dezember 2024